Ehrgeiz und Familienplanung?

Die Boston Consulting Group befragte 2017 200.000 Teilnehmende in fast 200 Ländern (verschiedene Branchen, unterschiedliches Alter, unterschiedlicher Familienstand) zu ihren Ambitionen der Karriereplanung. Frauen wird teilweise nachgesagt, dass sie zu wenig ehrgeizig seien. Der „Ambition gab“ würde im Karrierealter zwischen 30 und 40 Jahren dazu führen, dass ihnen die Familienplanung wichtiger sei.

Stimmt das? Die Studie kommt zu anderen Ergebnissen. Frauen streben zu 85 Prozent eine Führungsposition an – wenn ihr Unternehmen Geschlechtervielfalt auch wirklich lebt oder auf einem guten Weg dahin ist. Die Quote der „Ambitionierten“ reduziert sich auf 66 Prozent, wenn die Unternehmenskultur wenig Wert auf Geschlechtervielfalt legt.

Das Desinteresse der Frauen ist also eine Reaktion auf die Atmosphäre im Unternehmen – und nicht an mangeldem Ehrgeiz liegt. Die Leiter der Studie weisen darüber hinaus darauf hin, dass neben den klassichen Diversity-Aspekten (Alter, Nationalität, Geschlecht) eine spürbar positive Haltung gegenüber Frauen in Führungspositionen sichtbar sein sollte und gelebt werden sollte. Weitere wichtige Zutaten sind Netzwerke und Mentoring-Programme – für Frauen und Männer.

Der Beitrag von Edition F findet sich hier https://editionf.com/Frauen-Fuehrungspositionen-Ehrgeiz-Studie

Elternkompetenzen & Arbeit?!

Das ist der Fokus einer Studie von Joachim E. Lask, Work-Family-Institut Darmstadt und Dr. Nina M. Junker, Goethe-Universität Frankfurt. Teilgenommen haben bis April 2018 302 erwerbstätige Eltern. Bisher sind zwei Berichte dazu verfügbar:

  • Eltern erkennen ihre in der Familie entwickelten Kompetenzen
  • Softskills – Mitarbeitertraining im Kinderzimer

Wer sich noch an der Studie beteiligen möchte, kann das hier tun: Link

Was sind die bisherigen Ergebnisse der Studie?

Schon nach wenigen Monaten Elternschaft berichten Eltern, Kompetenzen (weiter-)entwickelt zu haben. Häufig ist weder den Eltern noch ihren Führungskräften klar, dass diese Kompetenzen vorhanden sind und auch beruflich relevant sind. Diese informell gelernten Kompetenzen werden eher nicht als Kompetenzen wahrgenommen. Auch wenn seit den 1970ern bekannt ist, dass ca. 70 Prozent der berufsrelevanten überfachlichen Kompetenzen informell gelernt werden, ist dies für arbeitende Eltern wenig untersucht und benannt.

In diesen drei Kompetenzbereichen entwickeln Eltern Kompetenzen, die überfachlich auch im Beruf wichtig sind:

  • beziehungsorientierte Kompetenzen
  • aufgabenbezogene Kompetenzen
  • Arbeitsweisen
  • Selbstkompetenzen

Führungskräfte sollten also bei arbeitenden Eltern genau hinschauen und gemeinsam erarbeiten, welche Kompetenzen z. B. für Teamarbeit eingesetzt werden können. Eltern sollten genau hinschauen und ihren Kompetenzuwachs erkennen und benennen können. Und sich damit auch für Aufgaben bewerben!

Vorzeige-Unternehmen wie Bosch oder ZF honorieren diese durch die Elternschaft erworbenen Sozialkompetenzen als einen Baustein in der Karriere-Entwicklung. Es fehlt aber trotzdem an der Routine in z. B. Mitarbeitergesprächen explizit dies zu thematisieren und abzuleiten, wie diese erworbenen Elternkompetenzen für Unternehmen und arbeitende Eltern sinnvoll eingesetzt werden können.

Wer an der Studie als arbeitende Eltern teilnimmt, erhält einen Ergebnisbericht zur Umfrage.

Jobsharing als Führungskraft – ein Erfolgsmodell

Führen in Teilzeit, sich den Arbeitsplatz mit einer anderen Teilzeit-Führungskraft teilen – das ist für viele noch Zukunftsmusik. Doch es gibt bereits gute Beispiele, die zeigen, dass Mitarbeitende und das Unternehmen profitieren. Diese Zahlen machen erst einmal deutlich, dass Jobsharing als Vorgesetzte noch nicht  die Normalität ist (gefunden in managerSeminare, November 2015):

  • Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten 57,8 Prozent der Frauen und 20,1 Prozent der Männer in Teilzeit. Die Quote der Männer hat sich seit 1991 mehr als vervierfacht.
  • Das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung (WZB) stellt fest, dass nur etwa fünf Prozent der Manager (Frauen und Männer) in Teilzeit arbeiten.
  • Im internationalen Vergleich ist Deutschland „hinterher“. Nach einer Arbeitsmarktstudie von Robert Half gibt es in Großbritannien bei 48 Prozent der befragten Unternehmen Jobsharing, in Deutschland sind es 15 Prozent.

Trotzdem gibt es bereits Best Practice-Beispiele. In dem Beitrag von managerSeminare werden diese Unternehmen aufgeführt:

  • Commerzbank-Filiale Duisburg-Rheinhausen, seit 2009
  • Daimler, Leitung globales Personen- und Strukturdatenmanagement in der IT, seit 2004
  • Universitätsklinikum Heidelberg, Psychomatische Ambulanz, seit 2013

Für die Unternehmen als Arbeitgeber könnte erst einmal der Kostenaspekt im Vordergrund stehen. Eine Stelle mit zwei Personen zu besetzen scheint teurer zu sein. Auch die Frage von Reibungsverlusten oder Machtkämpfen scheinen Argumente gegen Jobsharing von Vorgesetzten zu sein. Doch die Vorteile sind viel größer, hier einige Beispiele:

  • Arbeitgeber gewinnen an Attraktivität, besonders bei den High Potentials und der Generation Y
  • Die Mitarbeiterbindung wird erhöht, die Loyalität ebenso
  • Die Stellvertretung ist einfacher, die Präsenz wird erhöht
  • Geht einer der beiden Vorgesetzten, bleibt das Expertenwissen durch den verbleibenden Mitarbeitenden weiter nutzbar

Natürlich muss bei der einzelnen Stelle geprüft werden, ob dieser Arbeitsplatz „teilbar“ ist. Auf der einen Seite können die Jobsharing-Partner Zuständigkeiten vereinbaren oder sie beenden, was sie angefangen haben, bevor der Partner kommt. Auch Mischformen mit teilweise zugeordneten Aufgabengebieten und einem Bereich von „ich beende, was ich angefangen habe“ sind gut denkbar.

Jobsharer sind oft Eltern, die zum Wiedereinstieg ihre Führungsaufgabe wieder aufnehmen wollen. Für sie zählt, die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie und gleichzeitig Führungsverantwortung leben zu können. Befragte Jobsharer stellen heraus, dass der „Partner“ im Job ein Sparringpartner ist. Austausch, Reflexion oder kritisches Hinterfragen ist durch das Jobsharing inbegriffen. Zwischen beiden sollte die „Chemie“ stimmen. Das meint aber nicht, dass beide gleich sein müssen. Eine ähnliche Wertehaltung und gute Absprachen über Informationsfluss und Kommunikation sind wichtig. Unterschiede im Tun oder den Kompetenzen sind willkommen und bereichern  die Zusammenarbeit. Oft gibt es Regelungen für die „Übergabe“ oder die Dokumentation von Vorgängen. Für viele Jobsharer ist es normal, auch im privaten Alltag erreichbar zu sein. Jobsharer, die vorher schon geführt  haben, sollten sich fragen, ob sie ihre „Macht“ teilen wollen und können.

Die Führungskraft der Jobsharer sollte etwas genauer hinschauen. Wichtig ist aus diesem Blickwinkel, dass die Persönlichkeiten der Teilzeit-Führungskräfte passen und es klare Regelungen für das Aufgabengebiet gibt. Transparente Absprachen zu den Zuständigkeiten und Erreichbarkeiten sind ebenso wichtig wie das „eindeutige“ Auftreten der Jobsharer gegenüber dem Umfeld von Mitarbeitern, Kollegen, Kunden usw.

Im Beitrag „Arbeitsmodell Topsharing – Ein Fall für zwei“ von mangerSeminare, November 2015, werden als Linktipp aufgeführt:

Mein Kind in der Betriebskrippe – ja oder nein?

Wer einen Arbeitgeber hat, der eine Betriebskrippe betreibt, kann sich glücklich schätzen. Also sollte das Kind dann auch dort „untergebracht“ sein. Und dankbar sollten Eltern auch sein, dass sie diese tolle Möglichkeit haben. Doch es gibt gute Gründe, warum sich Eltern gegen eine Einrichtung des Arbeitgebers entscheiden:

  • Oft sind die Betreuungszeiten für das Kind an die eigene Arbeitszeit gebunden. Wer Teilzeit arbeitet, bekommt also auch nur ein „Teilzeit“-Kontingent. Die Möglichkeit Zeiten für Sport, Hausarbeit, Einkäufe oder anderes während der Betreuungszeit des Kindes zu haben, sind damit eingeschränkt.
  • Je nach dem, wo Sie und Ihr Partner wohnen und arbeiten, ist es einfach logistisch ungünstig, das Kind in der Betriebskrippe anzumelden. Wer eine Fahrtstrecke von z. B. 40 km hat, möchte seinem Kind diese Strecke evtl. nicht zumuten. Wenn Sie morgens früh beginnen und Ihr Partner später, liegt die Betriebskrippe sicher nicht auf dessen Weg.
  • Je nach dem, wer für die Versorgung des Nachwuchses am Morgen zuständig ist, ist es ungünstig, die Betriebskrippe zu nutzen. Wenn Sie früh das Haus verlassen und Ihr Partner für den Tagesstart mit dem Nachwuchs verantwortlich ist, wird die Betriebskrippe sicher auch nicht die erste Wahl sein.
  • Wenn Ihnen Freundschaften für Ihr Kind wichtig sind, ist die Betriebskrippe vielleicht nicht der passende Ort. Freundschaften entstehen im zweiten oder dritten Lebensjahr und dann ist es vielleicht aufwändig, sich mit Martha oder Jannis außerhalb der Betreuung zu verabreden, wenn diese nicht in Ihrer Nähe wohnen.
  • Wenn es nicht nur eine Betriebskrippe, sondern Betriebskindergarten ist, fehlt je nach Ihrem Wohnort der Zugang zur Grundschule. Die Kindergärten bereiten im letzten Jahr die Kinder auf die Schule vor. Oft gibt es Besuche in der dazugehörigen Grundschule. Die großen Kinder sind nun definitv in Freundschaften gebunden. Diese können den Einstieg in die Grundschule erleichtern, weil bei allem Neuen auch Bekanntes den Übergang gestalten hilft.

Auch wenn es eine 100 %ige Versorgung mit Krippenplätzen geben soll, ist das noch nicht über all gewährleistet. Wenn Ihnen eine Betriebskrippe diesen Engpass überwinden hilft, gibt Ihnen die Liste oben einen guten Einblick, was zu bedenken ist.

Vielleicht ist die Betriebskrippe auch die einzige Alternative für Sie. Dann finden Sie in der Liste oben Ansatzpunkte, was Sie verhandeln sollten oder für Ihr Kind planen können. So können Freundschaften auch über Sportvereine oder Musikschulen entstehen. Zeiten für Sie für Organisation oder eigene Freiräume können auch durch soziale Netzwerke (andere Eltern, Babysitter, eigene Eltern oder Schwiegereltern, usw.)

Kinder und Karriere – das geht!

So titelt ein Interview mit Verena Wankerl, 38 Jahre, Personalmanagement bei der Firma Hettich in der Neuen Westfälischen Zeitung (http://www.nw.de/lokal/kreis_herford/buende/buende/20654962_Kinder-und-Karriere-das-geht.html).

Verena Wankerl hat an der Podiumsdiskussion anlässlich der Präsentation der Studie „Frauen im Management in Ost-Westfalen-Lippe“ teilgenommen. Die Studie zeigt erstmals auf, wie Frauen am Management beteiligt sind. So liegt der Anteil von Frauen im Top- und Mittelmanagementpositionen im Durchschnitt in Ost-Westfalen-Lippe bei 18,2 Prozent gegenüber 11,9 Prozent in 2006. Die Studie finden Sie hier: http://www.ostwestfalen-lippe.de/images/stories/frauenmanagement_final.pdf

Die Hettich Unternehmensgruppe gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Möbelbeschlägen. Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in der ostwestfälischen Stadt Kirchlengern. Laut Verena Wankerl ist Kompetenzvielfalt ein erklärtes Ziel des Unternehmens. Daher sollen mehr Frauen in Führungspositionen sein. Rahmenbedingungen dafür seien nach ihrer Erfahrung  agile Unternehmensformen wie z. B. Arbeiten in Teilzeit, Gleitzeit und Arbeiten im Homeoffice. Ein weiterer Faktor sei die Weiterentwicklung zu einer Ergebniskultur und das Verabschieden der Präsenzkultur.

Nach Verena Wankerl entstehen schon mit einem Drittel von Frauen in Führungspositionen deutliche Effekte Sie selbst war mit dem zweiten Kind in Elternzeit und ist im Januar mit 50 Prozent wieder eingestiegen. Davor hat sie 80 Prozent gearbeitet.

Für Hettich ist eine Elternzeit von 12 Monaten ideal, damit der Wiedereinstieg gut funktioniert. Während der Elternzeit an Betriebsversammlungen, Teamevents teilzunehmen oder mit wenigen Stunden in einem Projekt mitzuarbeiten hilft beiden Seiten, um „drin“ zu bleiben. Akzeptanz jedes Lebensmodells ist eine wichtige Grundlage, so dass jede Familie ihre Entscheidung treffen kann. Als Arbeitgeber die Rahmenbedingungen zu gestalten und als Wiedereinsteiger Betreuung und Haushaltsführung zu organisieren und die gemeinsame Entscheidung der Eltern zur Berufstätigkeit beider sind die drei Pfeiler für eine gelingende Vereinbarkeit. Wie viele Best Practice-Interviews hier im Blog rät auch Verena Wankerl, auch mal „fünf gerade sein zu lassen“ und Nein zu sagen, wen nicht alles zu schaffen ist.

Schön, wenn es Modelle für den gelungenen Wiedereinsteig gibt!

Führen und Teilzeit

Tut sich endlich etwas und das Modell „Führen in Teilzeit“ wird salonfähig? Wenn man und frau den Pressemeldungen der letzten Monate glauben darf, ist die eindeutige Antwort: Ja!

In working@office, 02.2016, wird eine anonyme Umfrage „Karriere trifft Sinn“ der Medienfabrik Embrace unter „careerloft-Mitgliedern“ vorgestellt. Befragt wurden 3.600 Studierende zwischen 20  und 28 Jahren. Knapp 80 Prozent der Noch-Studierenden wollen Kinder haben. Die Ideal-Vorstellung von 74 Prozent ist, in den ersten Berufsjahren den Nachwuchs zu bekommen. Wenn diese Lebensplanung dann auch verwirklicht werden will, braucht es laut dem Embrace-Geschäftsführer Gero Hesse ein Umdenken der Arbeitgeber. 57 Prozent der Befragten wollen eine komplett freie Einteilung der Zeit – das schließt dann wohl Führen in Teilzeit und das Arbeiten auch aus dem Homeoffice heraus mit ein. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist die Clusterung der Generation Y in fünf Typen (zitiert aus https://careerloft.de/stories/von-alles-anna-bis-zu-helfer-hannes/161):

Karriere-Kai

Personen aus diesem Cluster sind persönlicher Erfolg und materielle Werte besonders wichtig, ebenso Führungspositionen und Einfluss. Das Privatleben wird auf Platz 2 eingeordnet. Über ein Viertel ist bereit, mehr als 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Sie verkörpern die klassische Karriereorientierung, wie sie sie bei den Baby-Boomern kennengelernt haben.

Sucher-Simon

Personen in diesem Cluster haben keine herausragenden Spitzen. Ihnen ist eher alles egal oder sie sind noch auf der Suche. Es ist ihnen nicht so wichtig, zum Erfolg des Arbeitgebers beizutragen, aber auch die Lust auf Selbstverwirklichung und die materielle Orientierung sind niedrig ausgeprägt.

Familien-Franzi

Die Familien-Franzis (wichtig: sowohl weiblich als auch männlich) legen besonderen Wert auf Work-Life-Balance. Außerhalb der Arbeit wollen sie viel mit ihrer Familie unternehmen, halten Traditionen hoch und setzen die Familie an die erste Stelle. Beim Arbeitgeber ist eine langfristige Perspektive wichtig.

Alles-Anna

Personen in diesem Cluster ist alles wichtig: sowohl die Selbstverwirklichung als auch das Engagement für Umwelt und Gesellschaft. Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Job und Privatleben ist essenziell, aber auch beruflich wollen sie vorankommen: Einfluss und eine langfristige Perspektive sind wichtig, auch Geld spielt eine übergeordnete Rolle. Dazu sollte der Arbeitgeber idealerweise als Marktführer attraktive Produkte anbieten und gleichzeitig ein Familienunternehmen sein.

Helfer-Hannes

Personen in diesem Cluster engagieren sich vor allem für andere und wollen einen Mehrwert für die Gesellschaft schaffen. Auch in ihrer Freizeit engagieren sie sich in Projekten und Hilfsorganisationen. Die Selbstverwirklichung steht bei ihnen hoch im Kurs, materielle Werte zählen aber deutlich weniger als bei den anderen Clustertypen. / Ende des Zitats

Wir können gespannt sein, wie sich diese Cluster im Berufsleben einlassen und welche Veränderungen bei den Arbeitgebern entstehen werden!

 

Best Practice: Der Wiedereinstieg schafft Freiheiten für das Muttersein und sich selbst!

Das Interview hat mich beeindruckt: so viele Stationen im Job mit drei Kindern! Anette,50 Jahre, ist schon fast „fertig“ mit Muttersein. Ihre Kinder sind heute 22, 20 und 18 Jahre alt. Die Wiedereinstiege haben also unter ganz anderen Rahmenbedingungen als den heutigen stattgefunden. Gelernt hat sie biologisch-technische Assistentin. Nach dem ersten Kind gab es noch „Erziehungsurlaub“. Dieser Arbeitgeber hat ein Programm für den Wiedereinstieg und garantiert fünf Jahren nach der Geburt den Arbeitsplatz. Das nimmt Anette an. Nach einem Jahr zu Hause ist sie mit 50 Prozent Teilzeit im Erziehungsurlaub wieder eingestiegen. Sie fuhr jeweils eine Stunde morgens und abends mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu ihrem Arbeitsplatz. Betreut wurde der Sohn von ihrer Mutter, die im gleichen Haus wohnt.

Schwanger mit dem zweiten Kind ging sie mit ihrem Mann und erstem Kind für zwei Monate in die USA. Er hatte einen beruflichen Einsatz für seinen Arbeitgeber in den Staaten. Der Teilzeitjob im Erziehungsurlaub für das erste Kind als biologisch-technische Assistentin wäre durch den Mutterschutz aufgrund des zweiten Kindes sowieso bald zu Ende gewesen.

Nach der Geburt des zweiten Kindes hält sie es nicht sehr lange aus „ohne“. Sie trägt Zeitungen am frühen Morgen aus. Klar ist ihr, dass sie ein drittes Kind möchte. Daher gibt es keinen „großen“ Job.

Als Kind Nr. 3 ein Jahr alt ist, beginnt Anette für einen wissenschaftlichen Verlag an ihrem Wohnort an zwei halben Tagen pro Woche zu arbeiten. Das ist mit dem Wiedereinsteiger-Programm des ersten Arbeitgebers möglich. Sie betreut ein größeres Werk und hat viel Freiräume in der Zusammenarbeit mit den Autoren. Mit dem Wechsel auf den Chefsessel wird deutlich, dass der neue Chef ihr diese Freiräume nicht lässt und ihre Kompetenzen nicht sieht. Anette will wieder in ihren Beruf zurück, wo ihre Kompetenzen nicht in Frage gestellt werden. Der „große“ Sohn ist bei diesem Jobwechsel in der Schule und die beiden Mädchen im Kindergarten. Sie wird bei einer biotechnologischen Firma im näheren Umfeld fündig und arbeitet 50 Prozent bei vier Tagen pro Woche mit fünf Stunden pro Tag. Die Kinder werden von ihr in den Kindergarten gebracht, die Oma holt ab, kümmert sich um das Mittagessen und nach dem Mittagsschlaf ist sie wieder zu Hause.

Heute arbeitet Anette mit 50 Prozent in ihrem angestammten Beruf, hat in der Zwischenzeit eine Weiterbildung zur Study Nurse absolviert und will auf 80 Prozent aufstocken.

Zur Partnerschaft

Anette ist verheiratet. Vätermonate o. ä. gab es zu den Zeiten ihrer Kinder noch nicht. Bei seinem jetzigen Arbeitgeber konnte er eine Zeitlang mit 80 Prozent arbeiten. Anette arbeitet diesen Tag „ganz“. Er kümmerte sich um die Kinder und hatte mehr Zeit für sich – eine geniale Kombination für den Vater. Doch die Haltung in seiner Firma veränderte sich und er musste dieses Experiment beenden.

Die klassischen Frauenarbeiten erledigt Anette, die klassischen Männerarbeiten ihr Mann. Er unterstützt beim Einkauf, wenn sie ihm die Liste schreibt.

Die Arbeitgeber

Die Arbeitgeber haben wenig Abwesenheit durch die Kinder bei Anette erlebt. Die Kinder waren eher wenig krank. Wenn eines der Kinder krank war, hat Anette dies teilweise mit Überstunden ausgeglichen oder traf auf verständnisvolle Chefs, die teilweise selbst Väter oder Mütter waren bzw. wurden. Mit den unterschiedlichen Arbeitgebern hat Anette keine negativen Erfahrungen als arbeitende Mutter gemacht. Das liegt vielleicht auch an der Haltung „Es ist, wie es ist.“.

Im Interview sind die Arbeitgeber eher weniger ein Thema, vielleicht weil Anette in einem beruflichen Umfeld mit vielen weiblichen Teilzeit-Angestellten arbeitet?

Was hat Ihnen gut getan als Wiedereinsteiger?

Anette war und ist es wichtig, arbeiten zu gehen. Sie war glücklich wiedereinzusteigen – und das drei Mal. Ein gutes Gefühl war auch, dass die Kinder zu Hause bleiben konnten, weil ihre Mutter im Haus die Betreuung außerhalb von Kindergarten und Schule übernommen hat. Auch wenn ihr Verdienst nicht vergleichbar mit dem Einkommen ihres Mannes ist, entstand durch den Wiedereinstieg ein Gefühl von Unabhängigkeit und Selbstständigkeit.

Putzen und Windelwechseln ist für Anette nicht gerade der Traumjob, gehört aber zum Mutter- und Hausfrausein dazu. Die Tätigkeit im Beruf und die Frage „Können Sie bitte“ statt das „Ich will“ der manchmal auch quengelnden Kinder machen einen für sie wichtigen Unterschied. Und der Beruf lässt dann Mütter auch zu Hause gelassener werden – das ist die Erfahrung von Anette.

Was haben Sie vermisst?

Anette hat das Glück, Kinder zu haben und Mutter zu sein. Vor dem ersten Kind war die Vorstellung Mutter zu sein und ganz für das Kind da zu sein „die Perspektive“ für Anette. Nach dem ersten Kind stellte sie fest, dass diese Realität sie nicht ganz zufrieden macht. Das war der Grund für den Wiedereinstieg. Daher vermisste sie nichts nach dem Wiedereinstieg.

Was könnten Arbeitgeber noch mehr oder anders tun, damit der Wiedereinstieg leicht gelingt?

Aus Sicht von Anette „war es, wie es war“. Die Rahmenbedingungen waren damals einfach anders. Als ihr drittes Kind sechs Monate alt war, lief die Frist für den Wiedereinstieg nach fünf Jahren aufgrund des Vertrages mit dem ersten Arbeitgeber ab. 100 Prozent (das war der damalige Umfang ihres Arbeitsvertrags) mit drei Kindern, das jüngste ein halbes Jahr alt, war für sie zu diesem Zeitpunkt nicht vorstell- und machbar. Da hätte sich Anette etwas mehr Flexibilität des Arbeitgebers gewünscht.

Was müsste sich in Ihrem persönlichen Umfeld verändern, damit Sie und Ihre Familie Beruf und Privates gut oder noch besser vereinbaren können?

Anette sind Aussagen wie „Der Mann verdient nicht genug, deshalb muss die Frau mitarbeiten“ begegnet. Das hat sie zwar nicht beeinflusst in ihren beruflichen Plänen, aber es war doch spürbar. Auch wenn ihre Mutter sich um die Enkel gekümmert hat , fand sie die Berufstätigkeit ihrer Tochter nicht wirklich gut. Das hat sicher die eine oder andere Diskussion hervorgerufen – doch weder ihre Meinung noch die der Mutter verändert. In einer Freundschaft war es nicht einfach, als berufstätige Mutter mit einer Vollzeit-Mutter befreundet zu sein. Zu unterschiedlich waren die Wichtigkeiten in den beiden Lebensentwürfen. Diese Freundschaft schlief dann ein.

Anette scheint wenig beeinflussbar von außen zu sein – das ist sicher für eine arbeitende Mutter von Vorteil.

Was ist der beste Tipp für andere Wiedereinsteiger?

Man und frau muss organisieren können, um als arbeitende Eltern gut klar zu kommen. Entweder gibt es eine Haushaltshilfe bzw. Putzfrau oder die Eltern verabschieden sich von einer aufgeräumten Wohnung – das sind Anettes Tipps für andere Wiedereinsteiger. Wie andere arbeitende Mütter warnt sie vor Perfektionismus. Vergessen sollte frau nicht, was ihr selbst wichtig ist und das dann auch tun. Auch der Partner sollte unterstützen und Aufgaben übernehmen. So gelingt es, Mutter zu sein und zu arbeiten.

Anne-Marie Slaughter: Vereinbarkeit in den USA

Vielleicht haben Sie schon von ihr gehört: Anne-Marie Slaughter war  Planungsdirektorin im Außenministerium und hat die Debatte über die heikle Balance zwischen Beruf und Familie wieder neu entfacht : Die Politikwissenschaftlerin  gab ihren erklärten Traumjob im State Department nach zwei Jahren auf, um wieder näher bei ihrer Familie zu sein. Sie schrieb darüber 2012 einen Artikel im Magazin „The Atlantic“ mit dem provokanten Titel: „Why women can’t have it all“ – Warum Frauen nicht alles haben können. Jetzt hat sie ihre Thesen in einem Buch veröffentlicht: „Unfinished Business“ – Unerledigte Aufgaben.

Wichtig ist zu wissen, dass die Rahmenbedingungen in den USA anders sind: Die USA ist das einzige industrialisierte Land der Welt, das keinen bezahlten Mutterschutz per Gesetz garantiert. Kindertagesstätten, öffentliche wie private, sind teuer und Subventionen gibt es nur für besonders bedürftige Familien. Das ist in Deutschland anders.

Wichtig zu wissen ist auch, dass die Politikwissenschaftlerin Anne-Marie Slaughter nach den zwei Jahren in Washington in Princeton weiter als Professorin tätig war.

In ihrem aktuellen Buch geht sie etwas versöhnlicher mit dem Thema Vereinbarkeit um als 2012. Sie regt an, die Vorstellung von einer erfolgreichen beruflichen Laufbahn neu zu definieren – eine Karriere nicht als stetig ansteigende Kurve zu betrachten, sondern als Stufenmodell mit aktiveren und ruhigeren Phasen.

Wer noch etwas mehr lesen will, wird hier fündig:

http://www.deutschlandfunk.de/familie-und-beruf-unbequeme-wahrheiten-ueber-die.1310.de.html?dram%3Aarticle_id=339775

Dort finden sich auch die Informationen zum Buch von ihr.

Für Deutschland sehe ich andere Rahmenbedingungen und damit mehr Möglichkeiten für eine erfolgreichen Wiedereinstieg. Die subtile Aufforderung für arbeitende Mütter, erfolgreich zu sein und Erfolg als steile Karriere zu sehen, ist nach meinen Erfahrungen auch in Deutschland spürbar. Daher gefällt mir das Stufen-Modell von Anne-Marie Slaughter gut.

Was sind Ihre Stufen? Auf welcher stehen Sie und welche ist die nächste?

Arbeitende Mütter – schon ein Normal“fall“?

Die verstärkte Einbindung von Mütter in das Berufsleben trägt zu einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) – so gefunden in Alex 3/2015. Dort wird auch eine Studie von Regus zitiert, an der 44.000 Berufstätige aus mehr als 100 Ländern teilgenommen haben:

  • 86 % in Deutschland (D), weltweit 83 %, sind davon überzeugt, dass flexible Arbeitskonzepte den Schlüssel zum Erfolg darstellen. So ließen sich Fachkräfte mit Kind für einen Job gewinnen und ans Unternehmen binden.
  • Mütter würden für ihre Erfahrung und ihre Kompetenz geschätzt (48 % in D, 55 % weltweit)
  • Mütter wären zuverlässig (30 % in D und ebenfalls weltweit) und hätten ein ausgezeichnetes Zeitmanagement (47 % in D, 31 % weltweit)

Die Zahlen machen Mut und sollten den Personalverantwortlichen geläufig sein und von Wiedereinsteigern in den Rückkehrgesprächen „platziert“ werden. Viel Erfolg dabei!

 

Schnellstarterinnen und ihre Erfahrungen

Was heißt es für Mütter, wenn sie bald nach der Geburt in den Beruf zurückkehren? Dieser Frage hat sich Frankfurter Allgemeine Zeitung gewidmet und drei Frauen befragt:

  • eine Assistenzärztin
  • eine Journalistin
  • eine Vize-Präsidentin einer Großbank

Hier können Sie den Artikel nachlesen: http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/erfahrungen-von-muettern-die-gleich-nach-der-geburt-wieder-arbeiteten-13837511-p3.html

Die Frage „Wie geht es mir als Mutter und Berufstätige?“ wird je nach „Umfeld“ unterschiedlich bewertet. Gesellschaftliche „Glaubenssätze“, die postulieren, dass die Mutter für das Wohlergehen des Kindes zu Hause zu bleiben hat, kollidieren mit eigenen Wünschen nach Gestaltung der Berufstätigkeit. Alle Eltern, oft die Mütter, müssen hier den eigenen Platz finden – und dann den Weg selbstsicher gehen. Die Kinder spüren diese Überzeugung und profitieren in ihrer Entwicklung davon.

Wichtig scheinen auch die „Glaubenssätze“ der Arbeitgeber zu sein. Kann eine Mutter überhaupt als Führungskraft arbeiten? Geht Teilzeit und Vorgesetzte sein?  Passen verantwortungsvolle Aufgaben und Mutter sein zusammen? Hier scheint sich in der letzten Dekade einiges verändert zu haben – wohl auch durch das „Mehr“ an berufstätigen Müttern.